Voraussetzungen für das Lernen von Lesen und Schreiben

 

Um Lesen und Schreiben erlernen zu können, müssen Kinder bei der Einschulung bestimmte Voraussetzungen mitbringen. Viele der notwendigen Fertigkeiten und Kenntnisse erlernen Kinder im Verlauf der Vorschulzeit im Elternhaus und im Kindergarten.

Dennoch gibt es Kinder, bei denen diese Entwicklung nicht ungestört abläuft. Rückstände im Erwerb der Voraussetzungen zum Erlernen von Lesen und Schreiben führen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Problemen nach der Einschulung.

Verschiedene wissenschaftliche Untersuchungen sind der Frage nach den wesentlichen Voraussetzungen nachgegangen. Dabei ergaben sich folgende Leistungsbereiche:

 
  • Phonologische Bewusstheit
  • Schneller Abruf von Lauten und Buchstaben aus dem Langzeitgedächtnis
  • Speicherung von Lauten, Buchstaben, Wörtern und Sätzen im Kurzzeitgedächtnis
  • Visuelle Aufmerksamkeitssteuerung
  • Motorik
  • Bitte klicken Sie auf das Thema, das Sie interessiert.

    Phonologische Bewusstheit

    Phonologische Bewusstheit ist eine Fähigkeit, die für das Lesen- und Schreibenlernen notwendig ist. Kindergartenkinder beherrschen ihre Muttersprache meist schon recht sicher und können sich gut verständigen. In ihrem Verständnis transportiert die Sprache Inhalte, die einem im Alltag nützlich sind. Zum Erlernen des Lesens und Schreibens muss jedoch die Fähigkeit hinzukommen, den inneren Aufbau der Sprache mit Wörtern, Silben und Lauten zu erkennen und aktiv damit zu arbeiten. Diese Fähigkeit nennt man phonologische Bewusstheit.

    Die deutsche Sprache ist im Vergleich zu anderen Sprachen, wie zum Beispiel Englisch, relativ lautgetreu. Schreib- und Leseanfänger orientieren sich deshalb beim Lesen und Schreiben an den Lauten, die sie beim Nachsprechen eines Wortes hören können.

    Diese Fähigkeit, die Lautstruktur der Sprache zu erkennen, führt zu der typischen lautgetreuen Schreibung von Schulanfängern. Sie schreiben, was sie hören.

    Beispiele:

    Im Vorschulalter verfügen die Kinder nur über begrenzte Fähigkeiten in diesem Bereich. Jedoch sollten Kinder vor der Einschulung bestimmte Dinge beherrschen. Hierzu gehören zum Beispiel:

    Schneller Abruf von Lauten und Buchstaben aus dem Langzeitgedächtnis

    Beim Lesen und Schreiben ist es wichtig, die Verbindung zwischen gehörtem Laut und geschriebenem Buchstaben möglichst schnell und korrekt aus dem Langzeitgedächtnis abrufen zu können. Ist dies nicht möglich, ist Lesen und Schreiben nur mühsam und unter hohem Zeitaufwand möglich.

    Im Vorschulalter haben die Kinder noch keine Kenntnis von Buchstaben und Lauten. Allerdings zeigen sich Schwierigkeiten mit dem Abruf aus dem Langzeitgedächtnis bei anderen Inhalten, zum Beispiel beim Benennen von Farben oder Gegenständen (z. B. „Gib mir bitte das Dingsda.“).

    Speicherung von Lauten, Buchstaben, Wörtern und Sätzen im Kurzzeitgedächtnis

    Beim Lesen und Schreiben müssen nicht nur Inhalte des Langzeitgedächtnisses abgerufen werden. Es ist ebenso erforderlich, Informationen im Kurzzeitgedächtnis zu hinterlegen und sie bis zur Erledigung der Aufgabe zu behalten.

    Kinder, deren Kurzzeitgedächtnis eingeschränkt ist, haben beim Lesen und Schreiben große Schwierigkeiten.

    Typisches Problem dieser Kinder ist, dass sie am Ende des Wortes nicht mehr wissen, womit das Wort angefangen hat. Bei längeren Sätzen ist es ähnlich. Bis sie am Satzende ankommen, haben sie vergessen, was am Anfang stand. Dadurch müssen Wörter und Texte mehrmals gelesen werden, was sehr zeitaufwendig ist.

    Visuelle Aufmerksamkeitssteuerung

    Buchstaben unterscheiden sich in ihrem Aussehen und / oder in ihrer Stellung im Wort.

    So sehen beispielsweise ein A und ein B sehr unterschiedlich aus. Ein „b“ und ein „q“ hingegen unterscheiden sich nur durch ihre Stellung im Raum.

    Schulanfänger müssen lernen, sich die Buchstaben genau anzuschauen und zu entscheiden, welche Information wichtig und welche unwichtig ist. Ist zum Beispiel ein leicht zur Seite geneigtes „b“ noch ein „b“ oder ist es bereits ein „q“?

    Kinder müssen daher lernen, zwischen wichtigen und unwichtigen Merkmalen der Buchstaben zu unterscheiden und diese Informationen entsprechend zu verarbeiten. Für die Verarbeitung ist die Steuerung der Aufmerksamkeit auf wichtige Details notwendig.

    Interessanterweise scheint häufig die allgemeine visuelle Verarbeitung der Kinder normal zu funktionieren. Probleme treten nur auf, wenn an Schriftmaterial geprüft wird. Dann zeigen die Kinder häufig Defizite bei der aufmerksamkeitsgesteuerten visuellen Verarbeitung.

    Motorik

    Um die Anforderungen des Lesens und Schreibens zu bewältigen, muss auch die Motorik der Kinder entsprechend ausgebildet sein. Von besonderer Bedeutung sind dabei folgende Bereiche:

    Grob- und Feinmotorik von Arm und Hand

    Das Schreiben stellt hohe Anforderungen an die Motorik der Kinder. Auf kleinem Raum müssen sie Zeichen erzeugen, die möglichst gleich aussehen sollen.
    Sind diese Fähigkeiten nicht vorhanden, wird das Schreiben für das Kind sehr anstrengend sein und es wird schnell den Spaß am Schreiben verlieren.
    Im Vorschulalter fallen die Kinder oft nicht auf, da sie sich mit mehr oder weniger guten Ausreden um Malen und Basteln herumdrücken. Erst wenn sie in der Schule mit Stift und Papier umgehen müssen, zeigen sich die Schwierigkeiten.

    Sprechmotorik

    In der Anfangsphase des Schreibens und Lesens lautieren die Kinder jeden Buchstaben sehr deutlich. Sie müssen beim Sprechen jeden Laut bewusst artikulieren, um ihn aus dem Strom der Laute isolieren zu können. Eine wichtige Hilfe ist dabei die Sprechmotorik, d. h. die Fähigkeit, Zunge, Lippen und Gesichtsmuskulatur gezielt steuern zu können.